Was wäre Batman ohne Robin oder Superman ohne Lois Lane? Sie wären immer noch Helden, aber wären sie tatsächlich genauso erfolgreich gewesen bei ihrer Mission? Vermutlich nicht. Denn schließlich steht ja auch hinter jedem starken Mann eine starke Frau und vizeversa. Jane McGonigal widmete sich in ihrem Buch „Besser als die Wirklichkeit“ unter anderem dem Thema der kollaborativen Superkräfte. Sie legt dabei viele verschiedene Prinzipien dar, welche Voraussetzungen für Kollaborationen gegeben sein müssen. Diese können nicht nur beim Gaming, auf das sich das Buch bezieht, als Grundlage verstanden werden.
Kooperation – Koordination – Kokreation
Was bedeutet nun kollaborative Superkräfte? Der Begriff zeigt, dass durch die Bereitschaft zur Kollaboration die eigenen Kräfte zu Superkräften anwachsen können. Sie steigen also im Vergleich zum normalen Einsatz des eigenen Könnens und Wissens disproportional an (vgl. McGonigal 2012, S.364). Bleibt die Frage nach den Voraussetzungen bzw. Bestandteilen der Kollaboration: Es ist wichtig, dass die TeilnehmerInnen gemeinsam auf ein einheitliches Ziel hinarbeiten – Kooperation. Sie müssen außerdem ihre Handlungen aufeinander abstimmen und Ressourcen teilen – Koordination. Zuguterletzt wird gemeinsam ein neues Ergebnis erzeugt – dies geschieht in der Phase der Kokreation, die in den vergangenen Jahren in aller Munde ist (vgl. McGonigal 2012, S.352). Wenn man sich diese Prinzipien genau ansieht, könnte man sie durchaus mit den Grundgedanken der Integrierten Kommunikation vergleichen. Aus diesem Grund möchte ich mit der ungeschriebenen Regel brechen, Kokreation in Form von Crowd-Sourcing, Prosumertum oder Ähnlichem auf die KundInnen zu beziehen. Stattdessen betrachte ich die von McGonigal genannten Grundzüge aus organisationstheoretischer Sicht.
Soziales Verhalten ist Pflicht
Der Beginn einer Kollaboration entsteht immer mit der Kenntnisnahme einer Kollaborationsvereinbarung. Diese muss jedoch von den Gamern in weiterer Folge auch aktiv gelebt werden und durch gegenseitige Anerkennung zum Ausdruck kommen. Auch wenn es einmal nicht nach seinen Gunsten geht, bleiben alle Beteiligten im Spiel, denn das nächste Mal wird genau der andere der Verlierer oder die Verliererin sein und dann bekommt der diesmalige Gewinner seine Genugtuung. Unabhängig vom Ergebnis kommt es somit zu einer Art reziproken Belohnung. Durch dieses Verhalten zeigt sich klar eine prosoziale Einstellung der SpielerInnen. Niemand zwingt sie dazu, Regeln zu befolgen oder in aussichtslosen Situationen dennoch ihr Bestes zu geben. Sie tun es dennoch, um ein gutes Spielerlebnis für sich und/oder den Mitspieler zu erzielen (vgl. McGonigal 2012, S.353f).
Geteilte Intentionalität
Eine wichtige Voraussetzung für dieses Phänomen ist laut dem Entwicklungspsychologen Michael Tomasello die Fähigkeit zur geteilten Intentionalität, durch die kollaborativ gemeinsame Ziele und Absichten verfolgt werden. Diese ist bei Menschen bereits ab dem Kindesalter vorhanden und hebt sie von Tieren wie etwa Schimpansen ab. Je nach sozialem Umfeld können Menschen diese Fähigkeit jedoch auch wieder verlieren. Somit ist es wichtig, sie durch laufende Erneuerung, etwa durch das Spielen von Games, zu erhalten. Diesen Gedanken machen sich AnbieterInnen von Koop-Spielen zunutze – in den vergangenen Jahren kommt es zu einer steigenden Anzahl an Spielangeboten in diesem Bereich (vgl. McGonigal 2012, S.356ff).
Das Schaffen einer eigenen Welt
Einen Schritt weiter gehen Kollaborative Kreationssysteme, bei denen Gamer selbst neue Umgebungen und Welten schaffen können. Eine ähnliche aber indirekte Form der Kollaboration ergibt sich bei Massively Single-Player Online Games. Hierbei werden zwar von mehreren Gamern neue Inhalte für das Spiel geschaffen, jeder einzelne kann jedoch aus einer externen Datenbank auswählen, ob und welche Ergänzungen er/sie in das Spiel hochladen möchte. Ein Austausch in der Community erfolgt dabei über Foren und Wikis (vgl. McGonigal 2012, S.359ff).
Die Stärken der Kollaborateure
Während die bisherigen Erkenntnisse überwiegend auf die Rahmenbedingungen der Kollaboration eingehen, nennt McGonigal drei spezielle Fähigkeiten, die „außerordentliche Kollaborateure“ aufweisen müssen. Sie dürfen nicht davor zurückschrecken, andere Personen zu kontaktieren und brauchen aber gleichzeitig eine Art internen Radar, um zu erkennen, wann diese Personen auch tatsächlich ansprechbar/erreichbar sind. Außerdem müssen sie in der Lage sein, in chaotischen, kollaborativen Umgebungen zurechtzukommen (vgl. McGonigal 2012, S.364f).
Case Study – The Lost Ring
Um die genannten Prinzipien und Grundlagen für kollaborative Grundlagen zu verdeutlichen, zeigte McGonigal die Abläufe anhand des Alternate Reality Games „The Lost Ring“. Dabei hat sie gemeinsam mit einem Team an EntwicklerInnen ein Spiel geschaffen, das zu einem länderübergreifenden Erfolg geführt hat. Anlässlich der Olympischen Spiele 2008 wurde eine angeblich vergessene olympische Disziplin wieder auferweckt. Ein fiktiver Historiker streute Informationen über den Sport und die geschichtliche Relevanz. Die Informationen wurden stückchenweise in unterschiedlichen Ländern gefunden und von den SpielerInnen selbständig zusammengefügt. Ein wichtiger Bestandteil des Spiels war ebenso ein Kodex mit den Regeln sowie einem Fragenkomplex, durch den SpielerInnen ihre persönlichen Stärken herausfinden konnten. Nachdem die SpielerInnen die Regeln des verlorenen Sports geknackt hatten, begannen sie mit dem eigentlichen Spiel und fingen an zu trainieren. Die Gamer waren dabei in allen Phasen stark miteinander vernetzt. Sie kommunizieren über Foren und Wikis und koordinierten zeitgleiche Trainings in unterschiedlichen Ländern (vgl. McGonigal 2012, S.367ff). Dieses Spiel hat es geschafft, länder- und somit kulturübergreifend SpielerInnen zu motivieren und zu begeistern.
Auch das „echte“ Leben funktioniert als Spiel
Für mich zeigt dieses Kapitel unterschiedliche Punkte auf, die in der Kommunikation genutzt werden können:
- Ein Kollektiv erreicht mehr als seine Einzelpersonen
- Geleitete Freiheit für SpielerInnen
- Geteilte Intentionalität als Richtungsweiser
- Motivation durch positive Psychologie
Wie bereits anfangs erwähnt, möchte ich nicht erneut auf Themen wie brand communities oder sonstige crowd-sourcing-Projekte mit Kunden eingehen sondern stattdessen ein Gedankenspiel unternehmen und diese Bedingungen auf die internen Stakeholder übertragen. Speziell bei internationalen Unternehmen oder auch Agenturnetzwerken von Kommunikationsagenturen könnten Elemente der von McGonigal vorgestellten Systematik eingesetzt werden, um die Unternehmenskultur sowie den Teamzusammenhalt zu stärken. Die geteilte Intentionalität sollte insofern gegeben sein, da sämtliche Netzwerkmitglieder oder Niederlassungen abgeleitete Ziele verfolgen (vgl. Huck 2008, S.293). Dies kann jedoch aus verschiedenen Gründen wie beispielsweise dem Principal-Agent-Effekt nicht gegeben sein (vgl. Roth 2007, S.222).
Im Bereich der positiven Psychologie hat sich in den vergangenen Jahren eine neue Forschungsrichtung gebildet, die sich darauf konzentriert, die Stärken der Personen herauszufinden. In diesem Zusammenhang wurden Studien im Bereich von positiven Emotionen in Organisationen eingeleitet (vgl. Hoy/Tarter 2011, S.432).
„Das Ziel von Unternehmen müsse mithin sein, die Firma zu einer „positiven Institution“ umzuwandeln. Einen Ort also, an dem Rahmenbedingungen herrschen, die die Stärken der Mitarbeiter optimal zum Tragen kommen lassen. Denn stärkere Arbeitszufriedenheit, das ist nicht neu, führt zu höherer Leistung – und die bekanntlich zu mehr Gewinn.“ (Schiessl 21.4.2009, o.S)
Genau hier muss mit internem Marketing angesetzt werden. Es muss versucht werden, eine positive Unternehmenskultur mit großem Engagement der MitarbeiterInnen zu etablieren. Es sollten dazu ergänzend auch weitere von McGonigal genannte Mechanismen eingesetzt werden. So könnte durch verstärkten Austausch von internationalen Niederlassungen ein Mehrwert geschaffen werden. Schließlich hat sich auch bei „The Lost Ring“ gezeigt, dass unterschiedliche Kulturen kein Hindernis sind, um gemeinsam etwas Großes zu schaffen. Bei dem angesprochenen Grad der freien Koordination und Entfaltung könnte es allerdings Probleme durch bestehende Unternehmensrichtlinien geben.
Bei Erfolg einer solchen Maßnahme entsteht im Auge der Autorin ein starkes Unternehmensimage und somit die Grundlage für eine glaubwürdige Markenkommunikation.
Quellen
Hoy, Wayne/Tarter, John (2011): Positive Psychology and Educational Administration. In: Educational Administration Quarterly (2011): Ausgabe 47. S.427
Huck, Susanne (2008): Internationale Unternehmenskommunikation. In: Mast, Claudia (2008): Unternehmenskommunikation. Lucius&Lucius. Stuttgart
McGonigal, Jane (2012): Besser als die Wirklichkeit. Wilhelm Heyne Verlag. München
Roth, Simon (2007): VWL für Einsteiger. Lucius & Lucius. Stuttgart
Schiessl, Michaela (21.4.2009): Ich und die Anderen – Heule nicht, handle!. Online unter: http://www.spiegel.de/spiegelwissen/a-622742-2.html (abgerufen am 19.4.2013)